Zukunft für USA und Österreich

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Vor einer Woche, als die Universität Graz noch ihrem regulären Betrieb nachging, teilte der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Österreich, S.E. Trevor D. Traina, seine Visionen und Aussichten für die USA mit zahlreichen Studierenden im neuen Hörsaal der Universitätsbibliothek. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Universität Graz abgehalten.

Der Rektor der Universität Graz, Martin Polaschek, eröffnete den Abend und befeuerte sogleich den Sympathiewert des Botschafters. Immerhin stammt Traina aus dem Napa Valley in Kalifornien, einer Gegend, die – so wie die Steiermark – für ihren Weinbau berühmt ist.

Traina verbindet aber noch mehr Persönliches mit Österreich: Auch sein Großvater übte die Rolle des Botschafters der Vereinigten Staaten von Amerika in Österreich aus. Traina besuchte daher schon als Kind unser Land und fand wohl sogleich Gefallen am österreichischen Lebensstil. Zusätzlich lebte er auch unter Gouverneur Arnold Schwarzenegger in Kalifornien. „Daher sage ich oft: Ich bin der erste Botschafter der einen österreichischen Gouverneur hatte“, so Traina.

Nach den Grußworten von Klaus Poier und Polaschek kam Traina in seinem Vortrag alsbald zum Thema: Der Rolle der USA im 21. Jahrhundert. Die Gefahr bei einer Analyse dieser Rolle sei, dass viele Menschen meinten, Amerika zu verstehen, betonte Traina gleich zu Beginn. Es sei aber jeder Bundesstaat im Einzelnen zu betrachten, da keiner dem anderen gleiche. Das mache Amerika und seine Strategien äußerst komplex.

Auf eine Strategie ging Traina genauer ein, die Außenpolitik. Diese setze sich aus drei Säulen zusammen: Austausch, Vorrangigkeit der USA, und der Bewusstmachung, dass eine erneute Wettbewerbs-Ära angebrochen sei. Teil der ersten Säule sei auch die Analyse der Verbündeten, die es realistisch zu betrachten gelte. Zur zweiten Säule meinte Traina, dass diese Vorrangigkeit („America first“) oft missverstanden werde. Es gehe hierbei in erster Linie darum, die Interessen des eigenen Landes und der eigenen Bevölkerung mit internationalen zu vergleichen und abzuwägen.

Der Blick auf andere Länder ließ Traina darauf schließen, dass die Beziehung zwischen den USA und Österreich selten besser gewesen sei. Er betonte die zweite ausgesprochene Einladung unseres gegenwärtigen Bundeskanzlers Sebastian Kurz zu einem Treffen mit Donald Trump, der aufgrund der aktuellen Krisensituation noch nicht Folge geleistet werden konnte. Außerdem seien sich beide Staaten durch geteilte wirtschaftliche Ambitionen und Perspektiven äußerst nah.

Das zweite Land, das er aufgriff, war China. Dass er dieses nicht zu den Allianzen der USA zählte, ging klar hervor. „Eine Sache, für die die aktuelle Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika in Erinnerung bleiben wird, ist, dass sie als erste auf die neue Rolle Chinas aufmerksam machte“, so Traina. Das daraus entstehende Kräftemessen meine aber nicht notwendigerweise kriegerische Auseinandersetzungen. Aber es sei ein Weckruf, dass die neuen Herausforderungen ernst genommen werden müssen.

Im Anschluss an Trainas Vortrag hatte das Publikum unter Moderation von Roberta Maierhofer vom Zentrum für Inter-Amerikanische Studien die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Traina wurde zu Themen von Gleichberechtigung über Klimawandel bis hin zu der Rolle der USA im Nahen Osten um ein Kommentar gebeten. Die Rolle der Staaten im 21. Jahrhundert wird sich aber wohl erst genauer nach der anstehenden Wahl im Herbst zeigen.

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Alpbach Kick-off: Klimaschutz, wie geht’s weiter?

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Der Club Alpbach Steiermark lud in Vorbereitung auf das diesjährige Generalthema des Europäischen Forums Alpbach “Fundamentals” zu einem Diskussionsabend zu ‘Klimaschutz – das Thema Nummer eins. Wie geht’s weiter?’. Ein Kamingespräch vor der Abendveranstaltung stimmte auf die Diskussion ein.

Die Auswirkungen des Klimawandels gehen mittlerweile auch an den Bewohner*innen der Steiermark nicht mehr still und heimlich vorbei. Der milde Jänner brachte auch an dem Tag der Veranstaltung, dem 23.1.2020, bis zu 7°C ins Land. Die durch diese Beobachtungen steigende Deutlichkeit des Wandels unserer Umwelt zeigte sich auch an der großen Besucherzahl. Von jung bis alt füllte sich der Hörsaal im RESOWI-Gebäude bis in die letzte Reihe. Gespannt lauschten die Anwesenden den Ausführungen der Podiumsdiskutant*innen und brachten ihre eigenen Beobachtungen in die Debatte ein. 

Kamingespräch mit Karl Steininger

Vor der abendlichen Diskussion allerdings trafen sich Mitglieder der IG Alpbach Graz zum ersten Kamingespräch außerhalb der Idylle Alpbachs. Karl Steininger, Wirtschaftsprofessor an der Universität Graz und dem Wegener Center for Climate and Global Change, sprach im kleinen Rahmen mit ehemaligen Alpbach-Stipendiat*innen über diverse Aspekte des Klimawandels. 

Durch seine kürzliche Rolle als Berater der Regierungsverhandlungen brachte er eine besonders facettenreiche Expertise mit und nahm sowohl Bezug auf die im Regierungspaket verhandelten relevanten Bereiche zum Klima als auch zu globalen wirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und Ansätzen. Von Modellen der CO2-Bepreisung über grüne Energiegewinnung bis hin zu Maßnahmen im Verkehr wurde eine Vielzahl von Themen und Fragestellungen von Steininger aufgegriffen und im kollegialen Rahmen besprochen.

Diverse Ansätze am diversen Podium

Die neuen Perspektiven, die die Studierenden durch das Kamingespräch gewinnen konnten, trafen in der anschließenden Abendveranstaltung auf weitere beachtenswerte Aspekte, die vor allem durch den breitgefächerten Charakter des Podiums geliefert wurden. Dieses deckte Klimaaktivismus, wissenschaftliche Forschung als auch die Interessen der Industrie ab. 

Georg Knill, der Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark, betonte dabei die bedeutende Rolle der Industrie für den Wirtschaftsstandort Steiermark und Österreich. Er kritisierte, dass bestimmte Maßnahmen wie CO2-Bepreisung einen Wettbewerbsnachteil für Betriebe bringen würden. Dass der Klimawandel daher auf globaler und allumfassender Ebene angegangen werden müsste, bemerkte Jasmin Duregger. Die Greenpeace Umweltexpertin pocht auf die Rolle der Regierung, klare Zeichen für einen Wandel hin zu umweltverträglichen Prozessen und weg von umweltschädlichen und veralteten Fahrplänen.

Für diese relativ neuen Strukturen sind die rechtlichen Rahmenbedingungen erst in Ausarbeitung, so Universitätsprofessorin Eva Schulev-Steindl. Die Umweltrechtlerin der Universität Graz befasst sich unter anderem mit der rechtlichen Form von Klimaklagen. Eine solche wird derzeit auch von Greenpeace Österreich durchgeführt. Spezifisch geht es dabei um die Forderung, klimaschädliche Gesetze (Greenpeace führt hier beispielsweise die Kerosinsteuer-Befreiung an) abzuschaffen. Besonders stichhaltig seien diese Klagen allerdings noch nicht, so Schulev-Steindl. Es fehle oft an Präzision, die Klagen seien zu breit gefächert. 

Karl Steininger sieht in dem präsentierten Regierungsprogramm der Koalition ÖVP und Grüne den größten Schritt in die richtige Richtung, der bisher gemacht wurde, hält sich bezüglich der Möglichkeit der Umsetzung aller erwähnten Schritte aber verhalten zurück. Das Ziel der Klimaneutralität 2040 sei ambitioniert, man dürfe auf die konkreten Maßnahmen gespannt sein. Fest steht, ohne allumfassende und holistische Ansätze wird es nicht gehen – man müsse an allen Strängen ziehen, vom Verkehr über Wohnen bis hin zu Landwirtschaft. 

Nach der Veranstaltung wurde noch bis spät in die Nacht weiterdiskutiert, Klimaabkommen bis ins Detail analysiert und über die konkreten Maßnahmen für Österreich spekuliert. Der Klimawandel bleibt wohl noch länger das Thema Nummer eins, betrifft er doch auch jeden von uns. 

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Digitalisierung und wir. Zwischen Chancen, Gefahren und Perspektiven.

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Der Club Alpbach Steiermark lud am 18. November 2019 in Kooperation mit dem Land Steiermark zu einer weiteren Veranstaltung aus der Dialogreihe „Geist & Gegenwart“ in die Aula der Alten Universität. Wie auch der 8. Pfingstdialog, der von 5. bis 7. Juni 2019 auf Schloss Seggau stattfand, stand die Dialogveranstaltung unter dem Generalthema der Digitalisierung.

Barbara Eibinger-Miedl eröffnete die Veranstaltung und identifizierte das Wirtschaftswachstum und die Verbesserung der Lebensqualität als wichtigste Chancen der Digitalisierung für die Steiermark. Mit den Worten „letztlich muss die Digitalisierung den Menschen nützen“, schloss sie die eröffnende Rede.

Danach präsentierte Herwig Hösele das in Zusammenarbeit mit Lojze Wieser herausgegebene Buch „Das digitale Europa“, das die wesentlichen Beiträge des Pfingstdialogs betreffend die entscheidenden Zukunftsfragen Europas am Beginn des digitalen Zeitalters thematisiert. Wieser sieht in der Digitalisierung die große Möglichkeit, Kulturgut zu erhalten sowie Wissen nutzbar zu machen. Hösele betont, dass trotz Digitalisierung keine neue Ethik benötigt werde, es müsse lediglich für die Rechtsdurchsetzung gesorgt werden.

Anschließend eröffnete Sandra Thier (CEO von diego5) die Podiumsdiskussion und empfing Andreas Gerstenmayer (Vorsitzender des Forschungsrates Steiermark und CEO der AT&S AG), Stefanie Lindstaedt von der TU Graz (CEO des Know-Center) sowie Stefan Mangard von der TU Graz am Podium.

(c) Fischer

Andreas Gerstenmayer identifizierte in seinem Eröffnungsstatement die aktuellen Gesellschaftstrends. Dazu würden vor allem die alternde Gesellschaft, die zunehmende Urbanisierung und die rasche Zunahme von autonomen Fahrzeugen in Europa zählen. Als Vorsitzender des Forschungsrates Steiermark kündigte er an, dass er die Steiermark als Modellregion in Europa für die Themen New Ecology und erneuerbare Energie empfehlen werde.

Stefanie Lindstaedt kritisierte, dass „zu viel Zeit damit vergeudet wurde, die Vergangenheit zu digitalisieren“. Sie ist der Meinung, dass die Zusammenarbeit neu gedacht werden müsse. Dazu müssten neue digitale Geschäftsmodelle entwickelt und ausprobiert werden, bei denen vor allem die Parallelisierung von Prozessen im Vordergrund steht. Zusätzlich forderte Lindstaedt, dass eine neue Quotenregelung eingeführt werden sollte, die zumindest einen Informatiker pro Vorstand sicherstelle.

Stefan Mangard versteht unter Digitalisierung vor allem die Möglichkeit, Analoges digital zu machen, womit eine gewisse Ortsunabhängigkeit impliziert wird. Daher wird die aktive Gestaltung der Digitalisierung, um die Steiermark erfolgreich im weltweiten Wettbewerb zu positionieren, von besonderer Wichtigkeit sein. Als Professor für Cybersecurity betonte er, dass sich das Sprichwort „Wissen ist Macht“ im Zeitalter der Digitalisierung zu „Daten ist Macht“ weiterentwickelt habe. Entscheidend ist daher, wie man das wichtigste Handelsgut der heutigen Zeit schützen könne.

Digitale Chancen

Betreffend die Chancen der Digitalisierung legt Gerstenmayer besonderen Wert auf die Auseinandersetzung mit den Ängsten der Gesellschaft. Vor allem das autonome Fahren ist ein sehr emotionales Thema, da viele Personen sich durch diese Innovation in ihrer eigenen Freiheit beschränkt fühlen. Den größten Nutzen der Digitalisierung sieht Gerstenmayer im Gesundheitssektor. Die Vereinfachung des Patientenmonitoring gebe Personen die Freiheit, nicht immer auf lange Aufenthalte im Krankenhaus angewiesen zu sein.

Lindstaedt sieht das Lernen als einen wichtigen Anknüpfungspunkt im Rahmen der Digitalisierung. Sie fordert ein Umdenken von „First learn, apply later“, da Lernen und Arbeiten nicht mehr trennbar sind und learn first oft nicht mehr funktioniert. Während Mangard sich für mehr Informatikunterricht einsetzt und das Problem in der Lehrerausbildung selbst identifiziert, warnt Gerstenmayer, dass iPad-Klassen alleine keine Lösung seien. Er betonte außerdem die Wichtigkeit der Mischung aus digitalen und analogen Methoden, da nach wie vor Dinge wie die Grundrechenarten nicht wegzudenken seien. Lindstaedt wünscht sich mehr Unterstützung bei der Erstellung neuer Lerntechnologien, wie das in Estland in Form von living labs bereits gelebt wird.

(c) Fischer

Potentielle Gefahren der Digitalisierung

Abschließend wurden am Podium potentielle Gefahren der Digitalisierung diskutiert. Mangard erkannte durch die Digitalisierung die Eröffnung eines Wettbewerbs der Talente. Durch die geografische Unabhängigkeit sei die first mover Strategie am erfolgversprechendsten, da nicht die beste Idee, sondern die schnellste gewinne. Dem stimmte auch Gerstenmayer zu, er sieht die größte Gefahr der Digitalisierung in der Nichtwahrnehmung potenzieller Chancen. Durch den sukzessiven Wegfall repetitiver Tätigkeiten befürchtet er eine gesellschaftliche Strukturverwerfung. Lindstaed warnte vor einer potentiellen Naivität der Offenheit der Wissenschaft. Sie meinte, dass der Umgang mit gesammelten europäischen Daten genau geplant werden muss.

Nach dieser anregenden Podiumsdiskussion ließ eine intensive Fragerunde erkennen, wie sehr sich alle Anwesenden mit dem Thema Digitalisierung auseinandersetzen. Die Veranstaltung aus der Dialogreihe „Geist & Gegenwart“ bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Einblick in die Chancen, Gefahren und Perspektiven der Digitalisierung aus Sicht von Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Das neue Buch „Das digitale Europa“ von den Herausgebern Herwig Hösele und Lojze Wieser ist eine zusätzliche Möglichkeit, die wichtigsten Beiträge des 8. Pfingstdialogs, bei dem über 85 Experten anwesend waren, Revue passieren zu lassen.

Der Dank für die Berichterstattung geht an EFA 2019 Stipendiatin
Viktoria Steffen.

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„Nach.gedacht.2019“ –Diskurs zwischen unterschiedlichen Alpbach-Generationen

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Von Freitagabend bis Samstag, dem Wochenende vom 4.-5. Oktober 2019, veranstaltete der Club Steiermark zum ersten Mal sein neues Seminarformat „nach.gedacht“. Stipendiatinnen und Stipendiaten aus unterschiedlichen Jahrgängen diskutierten im Steiermarkhof in Graz über internationale Politik, das österreichische Gesundheitswesen und digitale Kommunikation.

Herwig Hösele begrüßt Kurt Salamun und die Teilnehmenden. (c) Julia Pabst

Das Europäische Forum Alpbach steht für einen interdisziplinären Gedankenaustausch. Diesen Spirit brachte der Club Steiermark am 4. und 5. Oktober 2019 nach Graz. Im Rahmen der neuen Formatreihe „nach.gedacht“ lud der Club ehemalige Stipendiatinnen und Stipendiaten zum Diskutieren ein. Bei der Veranstaltung trafen Erststipendiatinnen und -stipendiaten auf alte Alpbach Granden. Neben dem wissenschaftlichen Diskurs stand auch der persönliche Kontakt im Vordergrund.

Kurt Salamun über Karl Popper und die offenen Gesellschaft. (c) Julia Pabst

Am Freitagabend waren alle Augen und Ohren auf Univ.-Prof. Kurt Salamun gerichtet als jener über Karl Popper und die Zukunft unserer Demokratie referierte. Ausgehend von seinen Darlegungen über Poppers offene Gesellschaft diskutierte er im Anschluss mit Prof. Herwig Hösele von der Initiative Mehrheitswahlrecht und Demokratiereform, Verena Schaupp von der Kleinen Zeitung und Verena Marchner vom Club Alpbach Steiermark und der IG Alpbach Graz über die Entwicklung unserer Demokratie. Darin verwies Salamun unter anderem auf die Notwendigkeit eines einheitlichen Regelwerks innerhalb der EU gegenüber digitalen Unternehmen und Hösele betonte die Unabdingbarkeit von politischer und medialer Bildung, digitaler Kompetenz und Geschichtsbewusstsein als Mittel gegen aufkeimenden Populismus. Abgerundet wurde der Abend durch geselliges Beisammensein beim Buffet.

Die anschließende Podiumsdiskussion dreht sich um die Zukunft der Demokratie. (c) Julia Pabst

Am darauffolgenden Vormittag wurden zwei Seminare parallel angeboten:

Im Seminar „Die EU und Afrika – zukunftsträchtige Beziehung auf Augenhöhe?“ sprachen Anna Vambe von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und Stefan Windberger von der Unido über die politische und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. Sie boten ein differenziertes Bild eines inhomogenen Kontinents, dessen Potential in Europa vielfach unterschätzt wird und erzählten von ihrem Berufsalltag in der internationalen Entwicklungshilfe.

Ein Seminar zur Frage, wie es um unser Gesundheitssystem steht. (c) Julia Pabst

Zeitgleich boten Elmar König vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Helene Prenner von ELGA und Maria Anna Smolle von der Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie in Graz detaillierte Einsichten in das Österreichische Gesundheitssystem. Im Seminar „(Woran) Krankt unser Gesundheitssystem?“ galt es, das bestehende System verstehen zu lernen und Verbesserungspotential zu erkennen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erarbeiteten gemeinsam mit den Vortragenden ein informelles Gesundheitsprogramm für die kommende Regierung.

Nach der Mittagspause folgten die Nachmittagsseminare, die ebenfalls parallel abliefen:

Mitten im Brexitchaos boten Almina Bešić vom Department of International Management an der Johannes Kepler Universität Linz und Markus Hauser von der Britischen Botschaft, Department of International Trade, in Wien einen strukturierten Überblick der Thematik. In ihrem Seminar „Brexit – der Anfang einer neuen Zusammenarbeit oder das Ende der europäischen Integrationsidee?“ analysierten die Vortragenden, wie es zum Brexit kommen konnte und welche Auswirkungen der Austritt für Großbritannien und die EU haben wird. Anschließend debattierten die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer über ihre persönlichen Prognosen für den endgültigen Verhandlungsausgang.

In diesem Seminar fokussierte man sich auf das Zusammenspiel von Politik und Social Media. (c) Julia Pabst

Einen Raum weiter hielten Julian Ausserhofer von der Universität Wien und Clemens M. Schuster von Bon Plein in Zürich ein Seminar mit dem Titel „Politische Diskussionen & Soziale Medien – Kann das gut gehen?“. Neben einer allgemeinen Einführung in die Kommunikationstheorie, boten die Vortragenden anhand von Praxisbeispielen einen tiefgehenden Einblick in die digitalisierte, politische Kommunikationslandschaft.

Nach.gedacht.2019 schuf Raum für den Austausch von Gedanken, Ideen und Visionen von Mitgliedern der über die Jahrzehnte angewachsenen Gruppe ehemaliger Club Alpbach Steiermark Stipendiatinnen und Stipendiaten. In kleineren und größeren Gruppen konnte sich der Spirit of Alpbach ausbreiten und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Zusammenkunft in gewohnter Alpbach-Manier zusammenbringen. Alpbach für eineinhalb Tage – ein überaus gelungenes Format.

Verfasst von EFA19-Stipendiatin Julia Pabst
und IG-Präsidiumsmitglied Lisa Schantl.

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Nachbesprechung zur EU-Wahl und Regierungskrise

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„EU-Diskussion: Österreichische Innenpolitik verkommt zur „Provinzposse““

Am Abend nach der EU-Wahl hat der Club Alpbach Steiermark in Graz eine Diskussion mit reger Publikumsbeteiligung über die Folgen des Wahlergebnisses veranstaltet. Die EU-Zukunft drohte ob der innenpolitischen Situation fast in den Hintergrund zu geraten.

Eine turbulente innenpolitische Woche war dem Wahlsonntag vorausgegangen und abwechslungsreich ging es auch danach weiter. Nur wenige Stunden vor der Diskussion war die Übergangsregierung am Montagnachmittag per Misstrauensantrag im Nationalrat abgewählt worden. Der von allen Funktionen zurückgetretene Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache kündigte auf Facebook an, sein EU-Mandant annehmen zu wollen. Wenig später löschte er das Posting. Auf EU-Ebene standen in den nächsten Tagen die Verhandlungen über die Besetzung der Spitzenpositionen an. Inmitten dieser Stimmungslage diskutierten der ehemalige EU-Abgeordnete Reinhard Rack (ÖVP), „WOCHE“-Chefredakteur Roland Reischl und EFA-Stipendiat Sebastian Swoboda unter der Leitung der ORF-Journalistin Birgit Zeisberger über die Auswirkungen der Europa-Wahl.

„Keine Provinzwahl“

Zum ersten Mal seit 40 Jahren haben die Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokraten (S&D) keine Mehrheit im EU-Parlament. Eine tragfähige Mehrheit zu bilden, wird damit äußerst schwierig. Das könnte in Zukunft zum Problem werden, meinte Reinhard Rack, von 1995 bis 2009 selbst EU-Abgeordneter. Zwar sei das Parlament durch die hohe Wahlbeteiligung gestärkt worden, diese Stärke könne man mit so schwierigen Mehrheitsverhältnissen aber nicht ausspielen. „Es wird deutlich schwieriger sein, wichtige Anliegen auch gegen den Willen des Rates durchzupushen“, sagte Rack. Knapp über 50 Prozent der wahlberechtigten EU-Bürger gingen zu den Urnen. „Jetzt kann man nicht mehr sagen, das ist irgendeine Provinzwahl“, so Rack. Das hohe Interesse liege auch an der Brexit-Debatte. Man habe gesehen, wie viel bereits auf EU-Ebene geregelt werde. „Politische Entscheidungen haben die Menschen plötzlich wieder berührt“, so Rack.

Junge machen Unterschied

„Die Großparteien werden die kleinen brauchen“, sagte Sebastian Swoboda im Hinblick auf künftige Mehrheiten bei Entscheidungen im EU-Parlament. Er verwies darauf, dass die jungen Wähler deutlich anders gewählt hätten als der Rest des Landes. In Österreich entschieden sich 28 Prozent der unter 30-Jährigen für die Grünen, nur 16 Prozent für den Wahlsieger ÖVP. In Deutschland landeten die Grünen im Gesamtergebnis mit 30 Prozent gar auf Platz 2. Dass es aber unbedingt junge Köpfe brauche, um die Jugend zu vertreten, glaubt der WU-Student Swoboda nicht.

„Haben aus Regierungskrise Staatskrise gemacht“

„WOCHE“-Chefredakteur Roland Reischl vertrat die Meinung, man habe in Österreich eine innenpolitische Wahl erlebt und nicht eine Europa-Wahl. „Wir haben aus einer Regierungskrise eine Staatskrise gemacht“, sagte Reischl. Die Position Österreichs in Europa sei geschwächt, man werde nicht mehr auf Augenhöhe wahrgenommen – nach den Vorkommnissen der vergangenen Tage und besonders nach dem Misstrauensvotum im Nationalrat. „Das war eine Provinzposse“, so Reischl. Welche Auswirkungen das auf den Standort Österreich haben werde, sei noch nicht klar.

Einig waren sich die Diskutanten jedenfalls, dass dieses Vorgehen der SPÖ, die den Misstrauensantrag gegen die ganze Regierung eingebracht hatte, schaden werde. Das sei nicht staatstragend gewesen, so Swoboda. In der Nationalratssitzung habe man „blanken Hass“ gesehen, ergänzte Reischl. Zum Thema Staatskrise kam Widerspruch von Reinhard Rack. Davon könne man nicht reden, immerhin gebe die Verfassung nun die Vorgehensweise vor und die Verfassungsorgane würden problemlos funktionieren. Zustimmung dafür kam aus dem juristisch versierten Publikum.

Von Brüssel, Medien und der Digitalisierung

In Europa habe man die türkis-blaue Koalition genau beobachtet. „Man hat es als positive Form des Containment wahrgenommen, jetzt wird es wahrgenommen als Schiffbruch“, sagte Reinhard Rack über das Kurz-Kabinett. In den nächsten Monaten habe man wohl einen „schmutzigen, hässlichen“ Wahlkampf zu erwarten. „Es wird wahrscheinlich um sehr wenig Sachfragen und um sehr viel Emotionen gehen“, meinte der frühere EU-Abgeordnete. Dem Image der Politik wäre das nicht zuträglich. „Das Image ist schon jetzt viel zu schlecht“, pflichtete Sebastian Swoboda bei. Die Medien seien da nicht ganz unschuldig, nahm Roland Reischl seine eigene Branche in die Pflicht.

Nach der innenpolitischen Debatte kehrte man schließlich wieder auf die Europa-Ebene zurück, um zu klären, welche Themen die EU in den nächsten fünf Jahren beschäftigen würden. Es stünden „notwendige Strukturthemen“ im Zusammenhang mit der Finanzierung an, meinte Rack. Die Gemeinsame Agrarpolitik und die Regionalpolitik würden noch zu diskutieren sein. Als dezenten Verweis auf die Subsidiarität konnte man wohl Racks Aussagen verstehen, wonach sich die EU mehr um Detailfragen kümmern sollte, während er etwa den Gedanken der Sozialunion als „Spruch von gestern“ ohne „realen Inhalt“ bezeichnete. Reinhard Rack sprach sich außerdem gegen ein Initiativrecht des EU-Parlaments aus. Es kämen ohnehin genug Vorschläge von den Nationalstaaten.

Sebastian Swoboda nannte die Digitalisierung und die dazugehörige Infrastruktur als wichtiges Zukunftsthema. Ebenso müsse man ein europäisches Vorgehen für Afrika entwickeln, wobei auch die Landwirtschaftspolitik eine große Rolle spiele. Man müsse Afrika „von innen heraus stärken“.

Bürger näher an die EU heranführen

Einigkeit am Podium herrscht auch darin, dass es eine bessere Kommunikation vonseiten der Europäischen Union brauche, wobei Rack anmerkte, dass Information „nicht nur eine Bringschuld, sondern auch eine Holschuld“ sei. Reischl meinte, der allgemeine Wissensstand über die EU sei sehr schlecht. Daran hätten auch die Journalisten ihren Anteil, bei denen immer kurz vor einer Europa-Wahl „die Panik ausbricht“. Reinhard Rack pflichtete dem gewissermaßen bei. Er habe stets einen Teil seines Abgeordneten-Budgets dafür verwendet, Besucher und Besucherinnen ins EU-Parlament zu holen und ihnen vor Ort die Abläufe näherzubringen. Dann sehe man die Sache ganz anders, meinte Rack. Er habe diesen Rat auch bereits an seine steirische Nachfolgerin im EU-Parlament, Simone Schmiedtbauer, weitergegeben.

Ebendies scheint auch wichtig zu sein, um den EU-Bürgern die Bedeutung der Europäischen Union weiterhin vor Augen zu halten. „Die EU hat mehr gebracht als Frieden“, meinte ein Zuhörer. Er selbst habe noch den Krieg erlebt. Er sorge sich, dass die positiven Leistungen zu wenig gewürdigt werden und stattdessen „Trumps langer Schatten in Europa angekommen“ und die Gesellschaft gespalten sei. Man müsse wieder mehr das „Bild von Frieden, freien Grenzen und gemeinsamer Währung zeichnen“, betonte Journalist Reischl. Auch Swoboda meinte, die EU als Friedensprojekt sei immer wieder zu betonen und nicht als Tatsache hinzunehmen. Allerdings empfinde er die Spaltung der Gesellschaft als nicht so schlimm. Seiner Ansicht nach gebe es noch immer eine große pro-europäische Basis.

Man müsse diese Entwicklung gut beobachten. Er hoffe, die EU einige sich auf einen guten und schnellen Konsens, „weil wir momentan ein bisschen viel Nabelschau innerhalb von Europa haben und es wichtiger wäre, hinauszuschauen“, so Reischl. Europa wäre gut beraten, sich zu sammeln. Wie das nun zu bewerkstelligen sein werde, werde sich wohl in den nächsten Monaten zeigen. Feststeht nach diesem Diskussionsabend allerdings, dass noch einige Herausforderungen auf die Europäische Union warten.

Der Dank für die Berichterstattung geht an EFA 2018 Stipendiatin Alina Neumann.

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Diskussionsabend: Die Steiermark und der Klimawandel

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Der Club Alpbach Steiermark lud zu einem Diskussionsabend zum Thema Klimawandel und seinen Folgen in der Steiermark. Warum man Klimaschutz und Klimaanpassung nicht trennen kann und welche konkreten Maßnahmen getroffen werden (sollten).

An einem sonnigen Abend des 1. April lässt es sich nicht nur gut den ersten Spritzer im Freien konsumieren, sondern auch bestens über die klimatischen Veränderungen in und um Graz diskutieren. Das bewies der Club Alpbach Steiermark mit einer Veranstaltung im RESOWI-Gebäude am Campus der Universität Graz. Am Podium sprachen Andrea Gössinger-Wieser (Klimaschutzkoordinatorin des Landes Steiermark), Franz Prettenthaler (Leiter des Joanneum Research LIFE: Zentrum für Klima, Energie und Gesellschaft) sowie Mario Winkler (Leiter der Kommunikation der Österreichischen Hagelversicherung).

Alles steht im Verhältnis zueinander, alles beeinflusst sich, oder wie Alexander von Humboldt bereits im 18. Jahrhundert wusste: “Alles ist Wechselwirkung.” Mit diesem Verweis begrüßte Club-Vorsitzender Herwig Hösele die Gäste und übergab sogleich an den Moderator Michael Bobik. Jener hatte ein Requisit parat: Eine Karte von den USA, die zeigte, dass die Mehrheit der Bundesstaaten den Klimawandel leugne. Dass sich das Klima im Wandel befindet, das bezweifelte keiner der hier anwesenden Gäste. Die angebrachte Frage sei also viel mehr, was das Land Steiermark tun könne, um die Folgen dieses Wandels zu beherrschen.

Club-Vorsitzender Hösele begrüßt mit den Worten Alexander von Humboldts. (c) Manuel P. Neubauer

Das Land habe zur Bewältigung der Klimaanpassung fünf Clusterbereiche definiert, für die Strategien auf Gemeinde- und Landesebene entwickelt würden, berichtete Gössinger-Wieser (nachzulesen unter https://bit.ly/2WDM4gX). Die Realisierung dieser Lösungsansätze hänge stark von der Zusammenarbeit in der Landesregierung ab. Die Länge von Verfahren zu beispielsweise Hitzeschutzplänen oder Hochwasserschutzmaßnahmen sei nicht einfach zu bewältigen, aber mit Initiativen wie der kostenlosen Energieberatung für alle sei man auf dem richtigen Weg.

“Wissen tun wir’s schon lange”

Das größte Problem sieht die Klimaschutzkoordinatorin in der Vermittlung: Der Klimawandel würde noch immer nicht klar verstanden, obwohl er bei jedem einzelnen zu Hause statt fände. Mit ihren Demonstrationen wollen Schülerinnen und Schüler unter dem Slogan Fridays for Future diesem Informationsdefizit und der scheinbaren Paralyse der Politik entgegenwirken. Unter diesen Demonstrierenden befinden sich auch die Tochter Gössinger-Wiesers und der Sohn Prettenthalers, der zu den Mitorganisatoren in Graz zählt.

“Wissen tun wir’s ja schon lange, und wenn unsere Gesellschaft in der Pflichterfüllung vorbildlich wäre, dann hätten wir jetzt diese Streiks nichts,” so Prettenthaler. Er plädiert für die Untrennbarkeit von Klimaschutz und Klimaanpassung und für die Zielsetzung einer Zero-Carbon-Industry. Es fehle jedoch nach wie vor an der nötigen Systematik, um das Hin- und Herspiel zwischen Bürger, Wirtschaft und Politik in geregelte Bahnen zu lenken. Positiv betont Prettenthaler das Engagement der EU, die eine der wenigen Zusammenschlüsse sei, die einigermaßen mit dem Pariser Klimaabkommen von 2016 kompatibel seien.

Hotspot Steiermark

Die Steiermark sei für fast alle Wetterereignisse ein Hotspot in Österreich. Das mache sich vor allem in der Landwirtschaft bemerkbar, so Winkler. “Jeder der isst, ist auch Teil der Landwirtschaft”, gibt der Versicherungsexperte zu bedenken und verweist auf die schwerwiegenden Hagelschauer, die 2016 einen Rekord verzeichneten. Die Unwetterrisiken haben seit der Jahrtausendwende zugenommen, auch wenn Österreich noch immer zu den moderaten Gebieten zähle. “Österreich ist gut gewappnet,” wirft Prettenthaler ein, “die Frage ist aber, wo die Menschen hingehen, deren Länder unbewohnbar werden.” Ein hörbares Seufzen erfüllt den Seminarraum.

Winkler, Gössinger-Wieser, Bobik und Prettenthaler (v.l.n.r.). (c) Manuel P. Neubauer

Was also kann konkret getan werden, um nicht nur gut gewappnet, sondern vorbildlich und zukunftsweisend zu sein? Es wird das Schlagwort “Copenhagenization” genannt, die Dringlichkeit effizienter Gebäudesanierungen angesprochen, und es gäbe noch viel mehr, so Prettenthaler. Konkret klingt anders, baldige Umsetzung auch.

Dazu stellt der anwesende Stadtrat Günter Riegler eine weiterführende Frage: Brauchen wir Verzicht, wenn wir das Klima retten wollen? Gössinger-Wieser meint darauf ganz offen, Verzicht komme in der Politik nicht besonders gut an, es solle daher eher ein Umdenken hin zu Qualitätssteigerung gefordert werden. Dazu gehöre, dem fossilen Energieträger endlich den Preis zu geben, den er wirklich habe, um so einen Anreiz auf Umstieg zu schaffen. Wichtig sei auch eine nachhaltige Gestaltung der Raumordnung, ein solider und leistungsfähiger Verkehr sowie leistbares und nachhaltiges Wohnen, sind sich die Podiumsgäste einig. Dass das aber eine Jahrhundertaufgabe sei, gibt zu bedenken.

Ähnlichen Gedanken gingen die Anwesenden nach Abschluss der Fragerunde aus dem Publikum noch bei einem Buffet nach. Mit gefülltem Magen und einem Gläschen in der Hand wird man ja bekanntlich kreativer, und auf Qualität zu setzen ist doch angenehmer als zu verzichten.

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Diskussionsabend: Brexit, Populismus, EU-Wahl

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„Die Bestandteile fliegen durch die Gegend“

Der Club Alpbach Steiermark stimmte zum Jahresbeginn thematisch auf das Europäische Forum Alpbach 2019 ein. Eine Diskussion über Globalisierung, Komplexität und wie man die EU eigentlich erklärt.

Am Abend, bevor die britischen Parlamentarier über den EU-Austrittsvertrag abstimmten, stand die Jahresauftaktveranstaltung des Club Alpbach Steiermark im Zeichen des Brexit. Das vorgegebene Themenfeld war mit „Brexit, Populismus, EU-Wahl“ jedoch weitaus breiter gesteckt. Wie diese drei Schlagworte mit dem heurigen Forumsmotto „Freiheit und Sicherheit“ zusammenhängen, diskutierten Alpbach-Ehrenpräsident Erhard Busek, Wirtschaftsforscherin Margit Schratzenstaller und die Vorsitzende der österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGPW) Monika Mühlböck.

Letztere sah einen Grund für den Brexit in dem Wunsch nach „Freiheit von Fremdbestimmung“. Sicherheit hingegen definierte Mühlböck in zweierlei Hinsicht: Einerseits als Risikominimierung – doch „genau das ist vermutlich der Brexit nicht. Hier wird mehr oder weniger größtmögliches Risiko genommen.“ Andererseits beinhalte der Begriff den Schutz vor äußeren Bedrohungen. Als Beispiel nannte Mühlböck die Migration.

Erhard Busek, Monika Mühlböck, Klaus Höfler und Margit Schratzenstaller (v.l.n.r.). (c) Manuel P. Neubauer

Machterhalt und Rechtspopulismus vor EU-Wahl

An diesem Punkt lasse sich die Brücke zum Populismus schlagen, so Mühlböck weiter. Seine Wurzel liege in der Darstellung der Begriffe Freiheit und Sicherheit. Die Deutungshoheit darüber hätten momentan die Rechtspopulisten. Das werde auch die EU-Wahl maßgeblich prägen, meinte Mühlböck. Auch Margit Schratzenstaller stellte eine „Schwäche im Diskurs“ fest. Problematisch sei, dass die progressiven Akteure von einer Überwindung des Nationalstaats sprechen, allerdings keine fortschrittlichen Alternativen anbieten würden. Außerdem gebe es keinen positiven Bezug von Begriffen wie Heimat und nationaler Identität. „Ich glaube, das ist ein Vakuum, das die Rechtpopulisten füllen mit ihren nationalistischen und chauvinistischen Perspektiven“, folgerte Margit Schratzenstaller. Schlussendlich schaffe sich der Populismus selbst ab, sagte Erhard Busek. Es gehe dabei nur um Machterhalt, besprochen werden nur gefällige, aber keine unangenehmen Themen. Man gehe an den wichtigen Fragen vorbei.

Fraglich sei allerdings, wie sich die anderen rechtspopulistischen Parteien organisieren werden. „Es ist zu erwarten, dass es sehr starke Zuwächse geben wird. Die Rechtspopulisten hoffen darauf, zumindest die zweitstärkste Fraktion zu werden“, führte Mühlböck aus. Die Wähler seien nicht mehr nur die Modernisierungsverlierer, vielmehr gehe es um eine Pro- und Anti-Globalisierungsdimension. „Es ist eher ein breiteres Bedürfnis, dass wir uns nur noch um uns selbst kümmern müssen und die komplexe Welt außen vorlassen können“, so Mühlböck.

Europäische Integration in der Krise

Ähnliche Töne schlug auch Erhard Busek an. Wir hätten Schwierigkeiten, die Veränderungen zu begreifen: „Ich habe den Eindruck, dass da Bestandteile durch die Gegend fliegen, wobei es schwer ist, ein gesamthaftes Bild daraus zu machen.“ So lebe die Politik in hohem Ausmaß der Wiederentdeckung der Bedeutung des Nationalstaats. Tatsächlich könne der Nationalstaat heute – in einer globalisierten Welt – die wenigsten Probleme alleine lösen, so Busek. Egal ob das der Klimawandel oder die „Frage der Wanderungsbewegungen“ sei. Wir leben in einer Zeit der Krise, die er, gemäß dem griechischen Wortursprung, als eine Zeit des Beurteilens und Entscheidens sehe.

Einleitende Worte von Herwig Hösele. (c) Manuel P. Neubauer

Margit Schratzenstaller verortete eine „schwere Krise“ ganz konkret beim europäischen Integrationsprozess. „Die Identifikation mit Europa ist ziemlich mangelhaft“, so die Wirtschaftsforscherin. Daher würden sich viele Menschen von europäischen Institutionen oder politischen Einigungsprozessen abwenden. Diese Entwicklung zeichne sich vor allem seit der Finanzkrise ab. Das Misstrauen zwischen den EU-Ländern wachse, ebenso der Nationalismus und die Ablehnung europäischer Problemlösungen. „Das Szenario eines Zerfalls scheint nicht mehr ganz ausgeschlossen.“ Laut Erhard Busek ist das Modell der europäischen Integration gar überholt.

Schratzenstaller ortete keinen Gegensatz zwischen Nationalstaat und europäischer Integration. Es brauche starke „nationale Sozialstaaten“, um mögliche Nachteile der Globalisierung abzufedern. Andererseits gebe es Bereiche, in denen die Nationalstaaten überfordert seien. Daher brauche es eine neue Diskussion über Subsidiarität. Diese bedeute nicht die Rückverlagerung von Kompetenzen auf die nationalstaatliche oder regionale Ebene. Vielmehr gebe es Themenfelder, wo Kompetenzen auf die supra-nationale Ebene verlagert werden müssten. Als Beispiele nennt Schratzenstaller Steuer-, Klima- und Migrationspolitik.

EU „am besten“ erklären

Bei der abschließenden Publikumsdiskussion warf eine Bürgermeisterin einer kleinen steirischen Gemeinde die Frage auf, wie sie die Europäische Union am besten erklären könnte. „Ein Weg ist, den Populisten nicht die Deutungshoheit über Freiheit und Sicherheit zu überlassen. Wenn man diese Begriffe anders deutet, dann kann die EU in diesem Kontext ein sehr positives Bild abgeben“, sagte Monika Mühlböck. Da Europa überhaupt ein Thema geworden sei, gebe es mehr Interessierte und dadurch mehr Möglichkeiten, die Debatte zu formen und mitzubestimmen, so die Antwort, die vage im Raum stehen blieb. Es scheint, als wäre die EU zu komplex für eine einfache Beschreibung ihrer selbst geworden.

Der Dank für die Berichterstattung geht an EFA 2018 Stipendiatin Alina Neumann.

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EFA Präsident Franz Fischler über liberale Demokratie

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Am 26. November fand eine der renommierten Dialogveranstaltung der Reihe Geist & Gegenwart mit Franz Fischler, dem früheren EU-Kommissar und Präsidenten des Europäischen Forum Alpbach, in die Räumlichkeiten der Alten Universität Graz ein. Das Event stand unter dem Titel “Liberale Demokratien und ein Europa, das schützt” und wurde vom Club Alpbach Steiermark und dem Land Steiermark veranstaltet.

Nach einer einleitenden Begrüßung von Club Alpbach Steiermark Vorsitzendem Herwig Hösele – die mit der Information einherging, dass der Streik der Eisenbahner dem Vortragenden Fischler in die Quere gekommen sei und das Publikum noch ein paar Minuten länger ausharren müsse – eröffnete Barbara Eibinger-Miedl, steiermärkische Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Europa, Wissenschaft und Forschung, die Veranstaltung. Die Landesrätin stimmte mit der Betonung der starken Verknüpfung der Steiermark mit der Europäischen Union den Ton an. Sie lenkte die Aufmerksamkeit vor allem auf konkrete Errungenschaften der EU wie das Schengen-Abkommen, die gemeinsame Währung, das Austauschprogramm Erasmus sowie die Abschaffung von Roaming-Gebühren. Gleichzeitig erinnerte sie aber auch an die tragenden Grundwerte der Union wie Frieden, Wohlstand und Demokratie.

Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl (c) Lisa Schantl

Diesen positiven Blick Richtung vereintes Europa trug Franz Fischler, dem man die wohl leicht anstrengende Anreise kaum ansehen konnte, beinahe nahtlos weiter. Mit seinem einstündigen Vortrag appellierte er vor allem an die aktive Beteiligung an repräsentativer Demokratie und forderte alle Anwesenden dazu auf, den aufkommenden illiberalen Tendenzen die Stirn zu bieten. Denn: Friede sei nur mit einem vereinten zentralen Europa möglich. “Wir sind nachlässig geworden in der Verteidigung unserer Werte,” so Fischler.

„Wir sind nachlässig geworden in der Verteidigung unserer Werte.“

Demokratie lebe von Dialog und Kommunikation und der nur dadurch erreichbaren Kompromiss- und Konsensfindung. Fischler gab zu bedenken, dass wir den Unterschied zwischen Informationsbeschaffung und gemeinschaftlichem Dialog zusehends verlernten. Es sei dies ein Problem, dass sich auch auf der Regierungsebene niederschlüge, und um welches es zu kontern dringend eine Stärkung des Parlamentarismus auch in Österreich bedürfe.

Leicht besorgt blickte der ehemalige EU-Kommissar auch in Richtung Europawahl 2019. Der Nachholbedarf in Digitalisierung, Innovation, Migrationspolitik, militärischer Stärke, Export und Handel sowie die durch Urbanisierung bedingten Herausforderungen würden sich ohne konkrete Initiativen seitens der EU auf die Wahlbeteiligung auswirken und zu starken Auseinandersetzungen zwischen EU-Befürwortern und -Gegnern führen. Diese Herausforderungen seien komplexe Probleme, die zur Lösung ein neues Denken benötigen würden. Eine Anstrengung, die die Politik alleine nicht bewerkstelligen könne, sondern sich in einen konstruktiven Dialog mit Wissenschaft, Wirtschaft, Medien und der Zivilgesellschaft begeben müsse. Fischler verwies auf die Notwendigkeit neuer Plattformen, die einen solchen Dialog auf Augenhöhe ermöglichen und zu gemeinsamen Entscheidungen führen könnten.

„Es braucht unser aller Engagement.“

Ob der österreichische EU-Ratsvorsitz 2018 ein gelungenes Unterfangen gewesen wäre, darauf geht Fischler nicht weiter ein. Vielmehr hebt er – aus eigener Erfahrung – das immense Arbeitspensum eines solchen Vorsitzes hervor und erinnert an die Kernthemen dieses Jahres: illegale Migration bekämpfen, Nachbarländer stabilisieren und so den Wohlstand sichern.

Klar ist für Fischler, dass es an der Zeit ist, für liberale Demokratie einzutreten. “Es gibt viele Gründe, warum die EU unverzichtbar und alternativlos ist,” so der Präsident des Europäischen Forum Alpbach. “Und es braucht unser aller Engagement.”

Früherer EU-Kommissar und Präsident des Europäischen Forum Alpbach Franz Fischler (c) Lisa Schantl

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Konflikt und Kooperation: EU(ROPA) – USA

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Vortragende(r):
Landesrat Mag. Christopher DREXLER, Botschaftsrat Stephen A. HUBLER (US-Botschaft in Österreich), Dipl.-Ing. Alexander TESSMAR-PFOHL (Sattler AG) und ao.Univ.Prof. Dr. Ellen L. ZECHNER (Vizepräsidentin des FWF)
unter der Moderation von Mag. Anna Giulia FINK, Der Standard

 

 

Das Verhältnis zwischen den USA und EU bzw. Europa ist seit dem Ende des 2. Weltkrieges geprägt von Freundschaft, aber auch von Spannungen.

Der Club Alpbach Steiermark lud am 16. Jänner zu einer Diskussionsveranstaltung zum transatlantischen Verhältnis. Trotz des Titels „Konflikt und Kooperation“ betonten die Rednerinnen und Redner vor allem das kooperative Verhältnis zu den USA. Landesrat Mag. Drexler warnte vor oberflächlichem Antiamerikanismus und Botschaftsrat Hubler betonte wörtlich, dass die USA die EU brauchen, würden und zwar „für unsere Interessen“.

Vielleicht war diese Aussage nicht in diesem Sinne gemeint, dennoch implizierte sie bei manchen ZuhörerInnen die Frage, ob die transatlantischen Beziehungen wohl auch auf Augenhöhe stattfinden, oder ob die USA die EU als Juniorpartner bei der Durchsetzung von Interessen sehen?

Dass beide Staatsgebilde einander brauchen und voneinander profitieren können, darin war man sich einig. Man spricht gerne über die Kooperation, weniger über den Konflikt, der für so manche kritische ZuhörerInnen zu wenig thematischen Widerhall fand.

 

Beim anschließenden IG-Stammtisch und dem Club-Buffet bot sich die Gelegenheit, noch einmal ausgiebig die Debatte weiterzuführen. Dass das Thema jedenfalls nicht nur polarisiert, sondern auch mobilisiert, zeigte sich darin, dass die StipendiatInnen der IG-Graz/Leoben sehr zahlreich unter dem Publikum vertreten waren.

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„Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.“

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„Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.“ (Zitat von Gustav Mahler)
mit Dirk KAFTAN, Chefdirigent der Oper Graz und des Grazer Philharmonischen Orchesters
und Mag. Bernhard RINNER, Geschäftsführer der Theaterholding Graz/Steiermark

14. November 2016

 

Der Titel der Veranstaltung ließ viel Interpretationsspielraum und weckte eher die Erwartung nach einem Musikwissenschaftlichen Frontalvortrag. Dem war jedoch nicht so.

In einem sehr interessanten Zwiegespräch sprachen Theaterholding Geschäftsführer Mag. Bernhard Rinner und Oper Graz Chefdirigent Dirk Kaftan über die Herausforderungen und Schwierigkeiten, einen modernen Kulturbetrieb zu leiten. Zwischen den beiden entwickelte sich ein richtiges Kamingespräch in alpbacher Tradition, welches sich sehr kurzweilig und interessant gestaltete. Diskutiert wurden die Probleme, wie man einen zeitgenössischen Opernbetrieb mit immer geringer werdenden Kulturbudgets noch konkurrenzfähig am Laufen halten kann und immer wieder den Zugang zum Publikum findet. Es sei z.B. besonders wichtig, den Kontakt mit den Schulen zu suchen, damit ein zukünftiges Opernpublikum das Verständnis für diese Kunstform nicht verlernt. So wurde die Debatte auch erstaunlich politisch über die Aufgaben öffentlich finanzierter Kulturvermittlung.

Nach einer kritischen Publikfragerunde, fand ein kleines Buffet für die Teilnehmenden statt.

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