Voller Spannung, Neugier und großer Erwartungen begann für viele ErststipendiatInnen das Europäische Forum Alpbach 2016 mit dem Thema „Neue Aufklärung“. Nach langer Anreise und Zimmerbezug ging es für manche Frühankömmlinge von uns sofort hinauf auf den Gratlspitz, den Hausberg Alpbachs, um sich ein erstes Bild vom Veranstaltungsort zu verschaffen, bevor es am Abend des Anreisetages ein gemütliches Treffen aller steirischen TeilnehmerInnen mit gemeinsamen Abendessen gab.
Am offiziellen Beginn des diesjährigen Forums stand für alle ErststipendiatInnen die Seminarwoche. Diese bot sowohl die Möglichkeit in einem bekannten, faszinierenden Gebiet in die Tiefe zu gehen als auch die Chance in neue unbekannte Gewässer einzutauchen. So entschieden sich manche LiteraturliebhaberInnen für das Ergründen „Jenseits von Karten“ und die technisch Versierteren für „Wege zu einem nachhaltigen Kohlenstoffkreislauf“. Wieder andere fanden Gefallen an der Thematik „Religion und Herrschaft“ oder „Gender Issues“ oder waren fasziniert von neuen Formen der „Wirtschaftspolitik für den Fortschritt“, während eine Mischung Neugieriger aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen – wohl angezogen von der „sexiness“ der Thematik („Big Data ist wie teenage-sex; alle reden drüber, aber keiner weiß, wie’s wirklich geht) – den Klassenraum von Big Data am Nachmittag stürmten. Ganz anders lief im Gegensatz dazu der Theaterworkshop der Royal Academy of Dramatic Art oder der Change-Maker Lab von Teach for Austria ab. Letzteres war zwar definitiv nicht minder lehrreich, schuf aber durch die geringe Zahl an TeilnehmerInnen eine sehr familiäre Atmosphäre, in der ausreichend Zeit für Diskussionen und persönliches Feedback hinsichtlich der eigenen Präsentations- und Pitching-Fähigkeiten sowie der Entwicklung eines Aktionsplanes zur Erreichung eines bestimmten, selbstgesetzten Zieles blieb. In den kaffeereichen Pausen wurde die Zeit zum persönlichen Austausch mit anderen genutzt, sei es um die SeminarteilnehmerInnen näher kennenzulernen oder sie über andere Seminare zu befragen. Vielen entfloh dabei der Wunsch, sich teilen zu können, um das interessante Seminarprogramm breiter nutzen und mehrere Seminare simultan besuchen zu können. Zweifellos lernten wir uns während dieser ersten, recht intensiven Woche besser kennen und einige Bekanntschaften intensivierten sich und wurden so zum Grundstein neuer Freundschaften.
Nach der Seminarwoche waren die verschiedenen Gespräche an der Reihe, in denen die neuesten Entwicklungen auf den Gebieten Gesundheit, Wirtschaft, Technologie, Hochschule, Recht, Politik und Baukultur vorgestellt wurden. Es handelte sich hierbei um eine Fülle an Vorträgen und Diskussions-runden unterschiedlichster Anziehungskraft, durch die man sich am besten einfach treiben ließ. Selbst aktiv wurden viele steirische StipendiatInnen hingegen im 24-Stunden-Innovationsmarathon, aus dem beispielsweise hervorging, dass Küssen auch mit Smartphones funktionieren kann. Auch beim Redewettbewerb – The Speakers‘ Night – zum Thema Generation What!? gab es von Seiten der Organisation und der ausgewählten RednerInnen steirische Beteiligung. Beim WKO-Ideenwettbewerb staubte eine steirische Stipendiatin sogar den dritten Platz ab!
Neben all den fachlich ausgerichteten, manchmal sehr faktenlastigen Einheiten wurde mit dem Kulturprogramm ein abwechslungsreiches Setting geboten. Das unglaublich breite Angebot an Veranstaltungen reichte von Filmabenden und Fotoausstellungen über Konzerte und Lesungen bis hin zu Vernissagen. Persönliche Höhepunkte waren der Dokumentarfilm „Future Baby“, der für viel Diskussionsstoff und Furore sorgte als Reaktion auf die schier unvorstellbare Praxis des Wunschbaby-Designs und den damit verbundenen ethischen Fragestellungen, sowie das Theaterstück „A Midsummer Night’s Dream“ aufgeführt von Studierenden der Royal Academy of Dramatic Art, das durch hervorragende schauspielerische Leistungen, stimmliche Präsenz, das Einbinden afrikanischer und walisischer Lieder zwischen den Szenen sowie durch inspirierende Leere im Bühnenbild und ausdrucksstarke Einfachheit durch den Verzicht auf Kostüme überzeugte.
Natürlich gab es auch abseits des offiziellen Programmes kulturellen und sozialen Austausch. So zum Beispiel bei den zwanzig Kamingesprächen, die die Mitglieder des Club Alpbach Steiermark auf die Beine stellen konnten und die durchweg außerordentlich anregend und aufschlussreich waren und manchmal sogar persönliche Einblicke erlaubten. Beim traditionellen Knödelessen auf der Zottaalm wie beim Steiermark-Empfang hatten wir die Gelegenheit die wiederkehrenden steirischen StipendiatInnen kennenzulernen. Ebenfalls erfreuten sich alle TeilnehmerInnen sowie die Vortragenden und PolitikerInnen an den im Hallenbad von den unterschiedlichen IGs organisierten Partys. Viele von uns ließen den Tag bei einem entspannten Abendessen oder Bier (oder beidem) im Jakober, dem lokalen Schmelztiegel im Zentrum des Ortes, gemeinsam mit anderen Forumsgästen Revue passieren und ausklingen. Bei so manchen stellte sich dann sogar noch (oder wieder) Energie ein, um neue Diskussionen anzufechten. Zu späterer Stunde zogen die Hartgesottenen unter uns (oder vielmehr die noch nicht von Rachen- und Halsentzündung Heimgesuchten) in die Waschkuchl weiter, um letzte Differenzen durch eine „Brause“ oder „nageln“ zu beseitigen, oder um sich einfach des wunderschönen Abends in netter Gesellschaft zu erfreuen. Wie man sich bestimmt vorstellen kann, blieb während der 18 Tage bei vollem Programm und zusätzlichen Abend- bzw. nächtlichen Events nicht sehr viel Zeit zum Schlafen, aber permanenter Schlafmangel gehört zur Erfahrung Alpbach einfach dazu.
Auch wenn wir uns im Punkt von „neuer“ oder noch immer andauernder „alter“ Aufklärung letztlich nicht einigen konnten, so sind wir sicherlich nach diesen intensiven zweieinhalb Wochen ein bisschen erleuchteter nach Hause zurückgekehrt. Aus diesem Grund möchten wir abschließend allen danken, die unseren Aufenthalt am EFA 2016 ermöglicht sowie alles organisiert haben. Nachdem unsere Erfahrungen so vielfältig und bereichernd waren, freuen wir uns schon darauf, im nächsten Jahr als Wiederkehrer beim Generalthema „Konflikt & Kooperation“ teilzunehmen und an die Gespräche des heurigen Jahres anzuknüpfen.
Text: Evelyne Auer und Yvonne Völkl